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Verfassung verstehen

Welche Spielregeln des staatlichen Handelns stehen in der Verfassung? Was bedeuten diese und wie sorgen diese für die Rahmenbedingungen zur Entfaltung von uns allen?

Die Stiftung Forum Verfassung zeigt die Grundlagen des Staates auf und erklärt ihre Zusammenhänge.

Unsere Verfassung …

 

  • bestimmt die Staatsform
    Republik
  • regelt die Regierungsform
    Demokratie
  • legt die Gliederung 
des Staates fest
    Bundesstaat
  • zieht die Grenzen des staatlichen Handelns
    Rechtsstaat
  • sichert die Grund- und Menschenrechte
    Freiheit
  • Verhindert Machtkonzentrationen
    Gewaltenteilung

Was ist die Verfassung?

Die Verfassung ist das Fundament der staatlichen Ordnung. Sie legt die Spielregeln fest, damit der Staat funktioniert und sich die Gesellschaft entfalten kann. So bestimmt die Verfassung, wie das Parlament oder der Bundespräsident gewählt wird, was in die Zuständigkeit des Bundes und was in jene der Bundesländer fällt, wie die Gerichte aufgebaut sind und wie die Grundrechte der Menschen in Österreich geschützt werden.

Die Quellen unseres Verfassungsrechts

Die österreichische Verfassung besteht aus mehreren Rechtsquellen. Den Kern bildet das Bundes-Verfassungsgesetz von 1920. Es regelt zentrale Fragen zum Aufbau von Staat, Demokratie und Gerichten. Das Staatsgrundgesetz von 1867, die Europäische Menschenrechtskonvention (1950) und die Grundrechte-Charta (2009) enthalten unsere Grund- und Menschenrechte. Weitere Verfassungsgesetze sind über die Rechtsordnung verstreut.

EU-Recht

1995 ist Österreich der Europäischen Union beigetreten. Seither gilt in unserem Land auch deren Recht, das sogenannte Unionsrecht. Es hat Vorrang gegenüber österreichischem Recht. Das bedeutet: Wenn inländische Gesetze dem Unionsrecht widersprechen, dürfen sie nicht angewendet werden. Es gibt allerdings eine Einschränkung: Würde Unionsrecht den Grundprinzipien unserer Verfassung widersprechen, würde es in Österreich nicht gelten.

Unsere Verfassung beruht auf 
einigen zentralen Werten, 
die wir „Grundprinzipien“ nennen:

Demokratie

Rechtsstaat

Freiheit

Republik

Bundesstaat

Gewalteinteilung

Grundprinzipien

Mit den Grundprinzipien wird eine Grundordnung, die sich aus der Verfassung ergibt und die Rahmenbedingungen für den Staat Österreich schafft, bezeichnet. Zu dieser Grundordnung gehören:

Diese Grundprinzipien werden in der Verfassung nicht der Reihe nach aufgezählt, sondern sie ergeben sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bundesverfassung. Im Wesentlichen gibt es vier Grundprinzipien: das demokratische, das republikanische, das bundesstaatliche und das rechtsstaatliche Grundprinzip. Darüber hinaus wird manchmal davon ausgegangen, dass sich auch ein eigenes gewaltenteilendes und ein liberales Grundprinzip aus der Verfassung ergeben. Das gewaltenteilende und liberale Prinzip (Grund- und Menschenrechte) können aber auch als Teil des rechtsstaatlichen Prinzips verstanden werden. 

Ob extra angeführt oder zugeordnet: auf inhaltlicher Ebene sind die Grundprinzipien die tragenden Säulen der österreichischen Verfassung.

Die Grundprinzipien stehen in der österreichischen Rechtsordnung an höchster Stelle: Alle Verfassungsgesetze, aber auch alle anderen Rechtsvorschriften in Österreich, dürfen ihnen nicht widersprechen. Sie sind so wichtig, dass jede wesentliche Änderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist: Bei einer Abstimmung im Nationalrat müssen mindestens 50% aller Nationalratsabgeordneten anwesend sein und von den Anwesenden Zwei-Drittel zustimmen. Wenn Grundprinzipien beseitigt oder wesentlich verändert werden sollen, also eine Gesamtänderung der Bundesverfassung vorgenommen werden soll, kann das nur durchgeführt werden, wenn die Bürger:innen das in einer Volksabstimmung gutheißen.  

Der Begriff Republik leitet sich von „res publica“ (die öffentliche Sache) ab. In einer Republik wird das Staatsoberhaupt für eine festgelegte Zeit gewählt und nicht durch Erbfolge bestimmt, wie das in einer Monarchie der Fall ist: bei uns die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident. In Österreich können alle Staatsbürger:innen über 35 Jahren für das Amt kandidieren. Die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident werden für sechs Jahre gewählt. Eine anschließende Wiederwahl ist einmal möglich. 

Österreich ist eine demokratische Republik: Republik und Demokratie sind jedoch nicht zwingend miteinander verknüpft. Es gibt auch demokratische Monarchien (etwa Schweden oder das Vereinigte Königreich). In Österreich sind Monarchie und Adel seit mehr als 100 Jahren Vergangenheit. Durch das republikanische Grundprinzip wird die erneute Schaffung einer Monarchie ausgeschlossen.

Demokratie bedeutet „Herrschaft des Volkes“. Das Wort sagt es bereits: In der Demokratie beschließen die Vertreter:innen des Volkes die Gesetze. Diese Vertreter:innen werden regelmäßig gewählt. Daher ist eines der wichtigsten Merkmale einer Demokratie die politische Mitbestimmung des Volkes, die durch das Wahlrecht ausgeübt wird. Alle Bürger:innen  sind vor dem Gesetz gleich und können an allen staatlichen Funktionen teilhaben, unabhängig von Geschlecht, Sprache, Religion oder Vermögen. Grundsätzlich entscheidet in einer Demokratie die Mehrheit. Wie sich „Mehrheit“ definiert, ist in der Verfassung festgelegt. Es gibt für das Beschließen oder Ändern von verschiedenen Gesetzen unterschiedliche Mehrheiten, die erfüllt sein müssen. So lässt sich die Verfassung selbst etwa nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament ändern, bei anderen Gesetzen genügen mehr als 50% Zustimmung. Die Grund- und Menschenrechte dürfen nicht verletzt werden – nicht einmal, wenn die Mehrheit das will.

Eine Demokratie beruht darauf, dass sich Bürger:innen aktiv am öffentlichen Leben beteiligen. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen – je nach Art der Teilhabe unterscheidet man indirekte und direkte Demokratie:

  • Indirekte Demokratie bedeutet, dass das Volk indirekt, das heißt mittelbar, Einfluss auf die Politik nimmt. Das wichtigste Merkmal einer indirekten Demokratie ist, dass das Volk Vertreter:innen wählt, die über politische Sachfragen entscheiden. Diese beschließen die Gesetze, etwa im Parlament. 
  • Direkte Demokratie bedeutet, dass sich das Volk direkt, das heißt unmittelbar am politischen Prozess beteiligt, indem es über politische Sachfragen für die Gesellschaft abstimmt – in Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen.

Österreich ist also eine indirekte Demokratie mit drei ergänzenden direkt demokratischen Elementen. Das bedeutet, dass zwar grundsätzlich gewählte Vertreter:innen die Gesetze beschließen, das Volk aber manchmal direkt – in Form von Volksabstimmungen, Volksbegehren oder Volksbefragungen – an der Gesetzgebung beteiligt ist. In Österreich sind die Nationalratsabgeordneten die Vertreter:innen des Volkes, die alle fünf Jahre neu gewählt werden.


In einem Rechtsstaat sind alle an das Recht gebunden: Die Bürger:innen dürfen tun, was ihnen die Gesetze nicht verbieten. Der Staat dagegen darf nur tun, was ihm die Gesetze ausdrücklich erlauben. Das Recht ist zugleich die Grundlage des staatlichen Handelns und setzt ihm auch Grenzen. Ein weiteres wichtiges Element eines Rechtsstaates ist, dass die Einhaltung des Rechts überprüft werden kann. Diese Funktion üben die Gerichte aus.

Gewaltenteilung bedeutet, dass das staatliche Handeln auf verschiedene Einheiten (=Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit) aufgeteilt wird. Dadurch wird die Macht beschränkt und Machtmissbrauch vorgebeugt. So kann jede und jeder Einzelne vor möglicher Willkür des Staates geschützt werden. Hinzu kommen wechselseitige Kontrollmöglichkeiten der Staatsgewalten untereinander. Ziel ist, dass die drei Staatsgewalten einander wirkungsvoll kontrollieren können.

Beispiele: 

Zu der Gewaltenteilung gehört etwa, dass die Gesetzgebung und die Vollziehung grundsätzlich von unterschiedlichen Akteuren ausgeübt wird oder, dass die Verwaltung von der Justiz getrennt sein muss, das heißt: eine Behörde kann nicht gleichzeitig Gericht sein („Mischbehörde“), ein Gericht darf keine Weisungen an eine Behörde erteilen. Ein weiteres Beispiel wäre, dass dieselbe Person nicht gleichzeitig als Nationalratsabgeordnete und als Verfassungsrichterin arbeiten darf. Wäre dies möglich, würde die Möglichkeit bestehen, dass die Nationalratsabgeordnete zuerst für ein Gesetz stimmt und bei Anfechtung dieses Gesetz selbst überprüft.

Legislative = Gesetzgebende Gewalt, also das Parlament und die Landtage

Judikative = Rechtsprechende Gewalt, also die unabhängigen Gerichte

Exekutive = Ausführende Gewalt, also die Verwaltung, das sind zB die Regierung, Bundespräsident:in, Behörden oder die Polizei

Grundrechte sind Rechte, die jede und jeder Einzelne gegenüber dem Staat hat. Sie sind durch die Verfassung garantiert. 

  • Viele Grundrechte sind auch Menschenrechte. Auf diese können sich alle Menschen berufen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Dabei handelt es sich um ganz grundlegende Rechte, wie etwa das Recht auf Leben und auf Freiheit. Nicht alle Dokumente zu den Menschenrechten, wie z.B. wie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, stehen in Österreich im Verfassungsrang. Sehr viele, jedoch nicht alle dieser Grundlagen, finden sich in den Grundrechten wieder. 
  • Jene Grundrechte, die nur Staatsbürger:innen zustehen, werden Staatsbürgerrechte genannt. Das wichtigste Grundrecht ist das Wahlrecht.


Grund- und Menschenrechte sind durchsetzbare Rechte, die jede und jeder Einzelne gegenüber dem Staat hat. Sie werden durch die Verfassung garantiert.

Je nach Grundrecht werden auch sogenannte juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH geschützt. Die Ausübung der Grundrechte kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen vom Staat durch ein Gesetz beschränkt werden. Manche Grundrechte darf der Staat hingegen gar nicht beschränken – wie etwa das Folterverbot. Alle staatlichen Organe müssen die Grundrechte penibel einhalten. 

Österreich ist ein Bundesstaat. Das Gegenstück zu einem Bundesstaat ist der Zentralstaat. Ein Bundesstaat hat verschiedene Merkmale: wesentlich ist, dass der Staat in verschiedene Untergliederungen (= Gliedstaaten, in Österreich: Bundesländer) unterteilt ist, die in bestimmten Bereichen eigene Gesetze erlassen können und hierfür auch ein eigenes Parlament (=Landtag) eingerichtet ist. In einem Zentralstaat gibt es zwar auch Untergliederungen in dem Land, diese können aber üblicherweise keine eigenen Gesetze erlassen. 

In Österreich ist der Bundesstaat so ausgestaltet: Österreich hat neun Bundesländer. Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sind zwischen Bund und den neun Bundesländern aufgeteilt. Die genaue Aufteilung wird in der Verfassung bestimmt. Die Landtage regeln etwa Baurecht und Fremdenverkehr, für Straßenverkehr oder Tierschutz ist der Nationalrat zuständig. Der Verfassungsgerichtshof wiederum überwacht, dass an der Aufteilung alles rechtens ist. 

 Die Bundesländer sind auch an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt: Die Mitglieder des Bundesrates, der in unterschiedlicher Ausprägung – je nach Gesetz – an der Bundesgesetzgebung beteiligt ist, werden durch die jeweiligen Landtage gewählt. Jedes Bundesland hat außerdem seine eigene Landesverfassung – sie darf dem Bundesverfassungsrecht nicht widersprechen.

In folgenden Bestimmungen kann man in Österreich Grundrechte finden:

 

  • Bundes-Verfassungsgesetz
    (B-VG)
  • Europäische Menschenrechtskonvention
    (EMRK)
  • Europäischen Menschenrechtskonvention Zusatzprotokoll
    (ZPEMRK)
  • Staatsgrundgesetz 1867
    (StGG 1867)
  • Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern
    (BVG Kinderrechte)
  • Datenschutzgesetz

 

Diese Aufzählung soll einen Überblick bieten und zählt nicht alle Gesetzestexte auf, in denen Grundrecht vorkommen.

Grundrechte

Die wichtigsten Rechte in einem demokratischen Rechtsstaat sind die Grundrechte. Die Verfassung bezeichnet sie und die Menschenrechte meist als „verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte“. Dazu zählen das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf freie Meinungsäußerung, die Religionsfreiheit, der Schutz des Eigentums oder das Wahlrecht. Die Grundrechte darf der Staat nur unter gewissen Voraussetzungen, manche Grundrechte hingegen gar nicht beschränken – wie etwa das Folterverbot. Alle staatlichen Organe müssen die Grundrechte penibel einhalten. Werden sie verletzt, kann sich die betroffene Person an den Verfassungsgerichtshof wenden.

In Österreich gibt es verschiedene Grundrechtsquellen und keine einzelne Rechtsquelle – Grundrechte stehen in Österreich jedoch immer im Verfassungsrang.

Folgende Grundrechte gibt
es in Österreich:

Die folgende Auflistung zählt nicht alle Grundrecht auf, sie soll einen Überblick bieten.
Die mit * gekennzeichneten Grundrechte stehen nur Unionsbürgern – ausgenommen bestimmte Wahlrechte – zu.

Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt.

Recht auf Leben

(Art. 85 B-VG, Art. 2 EMRK, Art. 1 6. ZPEMRK)

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
RIS

Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden

(Art. 3 EMRK)

Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

Recht auf persönliche Freiheit

(BVG persönliche Freiheit; Art. 5 EMRK)

Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden und niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft, der Zwangs- und Pflichtarbeit

(Art. 4 EMRK; Art. 7 StGG)

Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich.

Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz

(Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG)*

Die Freizügigkeit der Person und des Vermögens innerhalb des Staatsgebietes unterliegt keiner Beschränkung.

Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens

(Art. 4 Abs. 1 StGG; Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK)

Was ist 
der Verfassungs-
gerichtshof?

Die Verfassung legt die Spielregeln für das Leben im Staat fest. Ob Parlament, Verwaltung oder Gerichte: Jegliches staatliche Handeln muss stets im Rahmen der Verfassung bleiben, darf diesen nicht überschreiten und sich nicht gegen ihn richten. Wer aber kontrolliert, ob die Verfassung tatsächlich von allen staatlichen Stellen eingehalten wird?

Als Hüter der Verfassung wirkt der Verfassungsgerichtshof. Seine Rolle ist in der Verfassung von Anfang an festgeschrieben. Er besteht damit schon so lange wie die Verfassung selbst: seit 1. Oktober 1920. Als weltweit erstes Gericht hatte der Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit zur Prüfung von Gesetzen und Verordnungen. Was damals eine echte rechtsstaatliche Innovation war, ist mittlerweile international gang und gäbe: Heute sind die meisten Verfassungsgerichte nach diesem „österreichischen Modell“ organisiert.

Der Verfassungsgerichtshof überprüft beispielsweise, ob Gesetze der Verfassung entsprechen, ob Wahlen korrekt abgelaufen sind oder ob der Staat die Grund- und Menschenrechte respektiert. So schützt er unsere Demokratie, unseren Staat … und die Rechte von uns allen.

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes

Das Richterkollegium besteht aus 14 Personen. Sie kommen aus verschiedenen Berufen und Bundesländern, haben alle Rechtswissenschaften studiert und reiche Erfahrung im juristischen Bereich. Zusätzlich zum Präsidenten, dem Vizepräsidenten und zwölf weiteren Verfassungsrichtern – alle Funktionen wurden und werden von Männern wie Frauen ausgeübt – gibt es sechs Ersatzmitglieder. Sie kommen zum Einsatz, wenn eines der Mitglieder nicht entscheiden kann, etwa wegen Krankheit oder zu großer Nähe zu einer Sache („Befangenheit“).

Verfassungsgerichtshof
Verfassungsgerichtshof Gebäude
©VfGH/Achim Bieniek

Verfassung von
A bis Z

A